Berlin,

Ehrung durch den Bundespräsidenten

Berlin. Bundespräsident Christian Wulff hat sich am Freitag bei den Rettern und Helfern der Katastrophe bei der Duisburger Loveparade bedankt.

Notfallseelsorger tragen Lila. Damit man sie unter den Rettern gleich erkennt. Jutta Unruh hätte die Arbeitsweste also ruhig anziehen können, an diesem Freitagmorgen im Berliner Schloss Bellevue. Sie steckt schließlich noch mitten im Einsatz: Die evangelische Seelsorgerin betreut seit der Katastrophe bei der Duisburger Loveparade Überlebende und Angehörige. Am Freitag wurde Unruh mit rund 200 anderen Rettern und Helfern von Bundespräsident Christian Wulff geehrt.


„Viele Angehörige“, sagt Jutta Unruh, „haben jetzt Angst vor Weihnachten.“ Sie haben Kinder oder Enkel verloren und fragen sich, was dieses Familienfest für sie noch bedeuten soll. „Um sie herum tobt Weihnachten, aber sie gehören nicht dazu.“ Unruh organisiert Gespräche, Treffen, ganze Wochenenden. Auch die Beratungs-Hotline der Landeskirche Rheinland (0800-2472010) bleibt bis zum Jahrestag des Unglücks im nächsten Sommer geschaltet.

Im Berliner Schloss Bellevue, nur ein paar Meter entfernt, sitzt an diesem Freitagmorgen auch Angelika Koopmann aus Oberhausen, Krankenhausseelsorgerin seit fast 25 Jahren. Sie erinnert sich an jede Minute des Katastrophentags vor knapp fünf Monaten. Koopmann hatte Bereitschaftsdienst. Gegen 17 Uhr hört sie eine Polizistin sagen: „Wir kriegen Stress.“ Eine Stunde später teilt sich die Seelsorgerin mit Pater Michael Stern, Prämonstratenser aus Duisburg-Hamborn, die ersten Fälle. Koopmann spricht mit einem erschütterten 60-jährigen Polizisten, dann mit den jungen Beamten der Hundertschaft, die im Tunnel die Wege sichern sollte, später mit einer Mutter, in deren Arm ein fremdes Mädchen gestorben ist, die eigene Tochter hat überlebt. Die Seelsorgerin hat ein Bild für die psychische Überforderung in solchen Minuten: „Man steht an der Laderampe und muss fünf Siebentonner allein ausräumen.“ Sie hört zu – und fragt am Ende: „Was tust du morgen?“ Das Leben der Überlebenden muss weitergehen.

Auch Thomas Poschkamp vom Technischen Hilfswerk (THW) ist an diesem Morgen nach Berlin gekommen, auch er beendet seine Krisengespräche mit einer kleinen Wende: „Gab es auch irgendetwas Positives?“ fragt der Leiter des zuständigen Einsatznachsorgeteams seine Kollegen. Die Antwort am Abend des 24. Juli: „Man schaut sich jetzt anders an.“

Poschkamp, der Helfer für die Helfer, hatte ausgerechnet am Tag der Loveparade Geburtstag. Im Nachhinein, sagt der THW-Mann, hätte er sich gefreut, wenn das Land oder die Stadt Duisburg den Helfern deutlicher ihre Anerkennung gezeigt hätten. Das tut jetzt der Präsident.

Im großen Saal von Schloss Bellevue sitzen sie nebeneinander: Feuerwehrleute und Polizisten, Johanniter und Malteser, die Retter vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) und vom Arbeiter-Samariter- Bund (ASB), die Gruppe vom Technischen Hilfswerk (THW), Ärzte, Pfleger und Schwestern aus Duisburger Krankenhäusern, evangelische und katholische Seelsorger und eine Hand voll Menschen ohne besonderen Auftrag, die an jenem Sommerabend Ende Juli einfach an der richtigen Stelle das Richtige taten.

„Das Land“, so Wulff, „kann froh sein, dass es Sie gibt.“ Die Erinnerungen an die Loveparade seien nicht nur durch Angst und Entsetzen geprägt, sondern auch durch die beeindruckende Arbeit der Retter. „Es wäre gut, wenn Duisburg das Synonym für helfende Hände werden würde.“ Ganz besonders dankte der Präsident den Notfallseelsorgern. „Unzählige Menschen sind an Leib und Seele verletzt worden, auch die Helfer selbst.“ Björn Rodeike, Zugführer beim THW, hat damals seine Leute in die Einsatznachsorge zu Thomas Poschkamp geschickt. „Im Einsatz überlegt man nicht, da ist man einfach eingeschaltet“, sagt der 32-Jährige.

Aber danach, das Abschalten, das fiel schwer: Einen Monat hat Rodeike gebraucht, um wieder zur Ruhe zu kommen. Trotzdem kann er sich mit der Ehrung noch nicht recht anfreunden: „Wir haben da einfach unseren Job gemacht.“ Die Auszeichnung des Präsidenten, sagt er, „nehme ich zu hundert Prozent für meine Leute mit.“

Quelle: WAZ


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